Der heutige Besuch eines Patienten hat mich grübeln lassen: Bereits zum 3. Mal hat mein 75jähriger Gast einen Stent am Herzen erhalten, weitere Engstellen bestehen noch, die Beinarterien sind verkalkt und und die Hirngefäße auch. Wegen einer Wirbelsäulenabnutzung hat der Patient Rückenschmerzen.
Und trotz dieser Gefährdungslage entspinnt sich eine Diskussion um praktisch jedes Medikament, das der Patient nehmen muss:
ASS und Ramipril: die machen Hörgeräusche und genau die hat er ja! Da könne er doch solche Medikamente nicht einnehmen.
Cholesterinsenker? Um Gottes Willen, die machen doch Muskelschmerzen. Die habe er ja auch schon bekommen, am Rücken ziemlich schlimm.
Kurz bevor der Patient ausholt, mir seine Konflikte mit Medikamenten von der Jugend an ausführlich zu schildern, beschließe ich erst einmal meine Untersuchungen zu machen. Damit kann ich Zeit gewinnen und etwas nachdenken.
Wie mache ich einer Patient*in komplexe Zusammenhänge in 3 Minuten so begreiflich, dass er/sie meine Absicht versteht und motiviert wird, seine Medikation zu nehmen? Die meisten wissen nicht, dass bei den Angaben zur ‚Nebenwirkung‘ von Tabletten auch Symptome gehören, die krankheitsbedingt bestehen und auch unter Placebo auftreten können.
Als Wüstenfan habe ich es mit einem Gleichnis versucht:
Mit Ihrer Krankheit ist es wie mit einer Reise in der Wüste. Wenn Ihnen das Wasser ausgeht und sie sich dürstend über die Dünen schleppen und es kommt vom Horizont her ein Beduine geritten und hält Ihnen eine kalte 1,5-Liter-Flasche mit Fanta hin, was würden Sie tun? Würden Sie sagen: ‚Fanta, hmmmh, da ist ja so viel Zucker drin und Farbstoffe, dass macht doch Karies und Sodbrennen. Sorry, aber das nehme ich nicht…‘?

Mein Gegenüber blickt mich an, denkt nach und antwortet:
‚Herr Doktor, nein, ich würde die Fanta nehmen! Verschreiben Sie mir einfach was, was mir hilft und was keine Nebenwirkungen hat und ich verspreche Ihnen, ich nehme das ganz regelmäßig!‘
O.k., denke ich mir, das mit der Fanta in der Wüste, das hat nicht so geklappt…