ASS 100mg | 0-1-0 | lebenslänglich |

Haben Sie eine Koronare Herzkrankheit? Verkalkung der Arterien?
Nein, noch nicht?
Aber Sie kommen in dieses Alter, nicht wahr, wo man sicherlich schon Verkalkungen hat, man hat sie bloß noch nicht entdeckt!
Dann müssen Sie vor das ärztliche Tablettengericht und werden abgeurteilt:
ASS 100 0-1-0, lebenslänglich.
Mit einem Herzinfarkt in der Vorgeschichte oder einem Schlaganfall wird im übrigen auf die besondere Schwere der Schuld erkannt und somit ist ein vorzeitiges Absetzen von ASS nach Verbüßung von 15 Jahren Mindesttherapie leider nicht mehr möglich.
Worauf beruht dieses harte Urteil?
Durch gemeinsame Analyse großer Studiendaten (zusammen fast 11.000 Patienten) wurde gezeigt, dass ohne ASS 3 von 100 Menschen mit früherem (länger als 1 Jahr zurückliegenden) Herzinfarkt, mit ASS aber nur 2 von 100 Patienten pro Jahr einen zweiten Herzinfarkt bekommen, 4,5 von 100/Jahr starben gegenüber 4 von 100/Jahr mit ASS an einer Erkrankung des Herz-Kreislaufsystems.
Das heißt: 1 Jahr macht kaum einen Unterschied (Eine von 100 hatte Erfolg mit ASS), pro Jahr aber wird der Nutzen der Therapie dann deutlicher (jedes Jahr einer mehr). Dennoch werden immer viele Menschen ASS einzunehmen haben, damit einige davon einen Nutzen ziehen.
Das sind messbare und gute Effekte, aber ist es auch Russisch Roulette, wenn man die Einnahme irgendwann mal einstellt? Muss man dieses Medikament auch dann noch einnehmen, wenn man bereits pflegebedürftig oder gebrechlich geworden ist, oder wenn Dich weitere Erkrankungen mehr bedrohen, als der Herzinfarkt vor 12 Jahren?
Natürlich nicht. Und deshalb müssen solche Maximalbegriffe aus unserem ärztlichen Vokabular dringend verschwinden. Statt dessen versäumen es die meisten von uns Ärzt*innen, den Medikamentenplan kritisch zu prüfen und dann ein bewusstes ‚Describing‚ durchzuführen, wenn es Wichtigeres gibt, was die Patient*in braucht.
Mutlos
Aber Ihr glaubt ja nicht, welche Ängste da durch unseren Berufsstand gehen. Darf man das, ein Medikament absetzen? Die Leitlinien, die Angehörigen, der Staatsanwalt … was werden die sagen?
Ein Urteil ist leichter gesprochen.