Oft, nicht immer, bringen meine Patienten einen Medikamentenplan mit. Das ist schon mal richtig gut! Denn oft vergeht eine geraume Zeit, da die aktuelle Therapie erst einmal recherchiert werden muss.

Das heißt natürlich nicht, dass der Plan eine Beschreibung der Medikamentenwirklichkeit ist, es ist eher eine Art Gemälde, eine abstrakte Annäherung an die Wirklichkeit oder eine künstlerische Interpretation derselben.
Zum Beispiel
Hier mein Plan … , aber die große Tablette für mein Herz, die nehme ich eigentlich nicht. Und von der anderen, die mit den 5mg, da nehme ich abends meist keine. Es sei denn, ich habe hohen Blutdruck, dann nehme ich eine oder zwei.
Die einzige Tablette auf dem Plan mit 5mg heißt ‚Eliquis‘ und ist ein starker Blutverdünner… OMG ! 😦 Ich möchte mir lieber nicht ausmalen, welche Risiken manch einer meine Patient*innen eingeht.
Soll ich die alle nehmen? Die haben ja alle Nebenwirkungen! …
Was soll ich sagen? Dass die eigentliche Motivation der Behandlung zunächst einmal die Wirkung einer Tablette ist, wird im Kontext solcher Diskussionen gerne mal übersehen.
Aber es ist schon was dran: schauen wir uns den Plan bereinigt nach den Angaben der Patient*in und der Realität angenähert doch nochmal genauer an: Stimmt, da sind mögliche Wechselwirkungen übersehen worden und ja: nur wenige Medikamente sind ein absolutes Muss.
Zum Beispiel Diabetes Typ II oder Blutdruck: Gewicht abnehmen, mehr Bewegung, salzarme Ernährung sind oftmals stärker wirksam als die verordneten Tabletten. Oder Cholesterinsenker: ohne Herzinfarkt oder Schlaganfall in der Vorgeschichte bringen sie nur einen schwachen Vorteil für Menschen mit erhöhten Werten. Eine Patient*in, die sich also wirklich für ihre Gesundheit interessiert, wird möglicherweise Wege finden, einer Polypharmazie zu entkommen.
Ich esse ja fast gar nichts mehr, ich gehe jeden Tag mit meinem Hund ums Haus spazieren und Salz tue ich schon lange nicht mehr auf die Pommes aus der Bude. Fleisch esse ich gar nicht mehr, nur noch Wurst, Sülze und Leberkäse…
Überzeugende Gegenrede einer Patient*in gegen ungerechtfertigte Hinweise zur gesunden Lebensweise und deren Auswirkung auf den Medikamentenbedarf
Nach langem zähen Ringen dann einigen wir uns auf einen schlanken Plan mit weniger Wirkung, sei es nun Neben-Wirkung, Wechsel-Wirkung oder Wirkung in Reinform. Hauptsache, Plan und Patient*in sind sich einig geworden … ! Irgendwo hat sie ja recht: Viel zu oft sprechen Mediziner Sätze wie: ‚Das müssen Sie nehmen‘, was keinesfalls immer aus der Datenlage so geschlossen werden kann.
Doch dann das Finale:
Herr Doktor was halten Sie eigentlich von Omega-3-Multivitamin-Booster-Vitalkapseln? Sind die gut? Die kaufe ich mir immer zusammen mit den Magnesium-CoenzymQ-Sprintperlen, die hat mir die Schwester meiner Freundin neulich empfohlen. Das soll die Widerstandskräfte stärken und Lebensfreude geben. Kann ich die nehmen?
Eine Antwort auf „Nebenwirkung“
Sehr schön geschrieben 😂. Nerven brauchst manchmal😂